still. there
26. November 2022 bis 28. Januar 2023 ⟶ Galerie
still. there
Damien Daufresne / Manfred Hamm
26. November 2022 – 28. Januar 2023
Eröffnung 25. November, 18:00 – 21:00 Uhr
Galerie Georg Nothelfer, Corneliusstraße 3, 10787 Berlin
Do – Fr 12 – 19 Uhr, Sa 12 – 18 Uhr und nach Vereinbarung
Die Galerie Georg Nothelfer freut sich in der Schau „still. there“ zum ersten Mal zwei Künstler gegenüberzustellen, die sich mit den Mitteln der Fotografie dem Thema Zeit und Raum auf unterschiedliche Weise nähern. Während Manfred Hamm (*1944 in Zwickau) in seinen Fotos dem Zustand des Vergangenen nachspürt, fängt Damien Daufresne (*1979 in Paris) die Flüchtigkeit des Moments mittels Fotografie, Zeichnung und Film ein.
Alles liegt in der Kunst des Verschwindens. Allerdings muss dieses Verschwinden auch Spuren hinterlassen, muss es der Ort des Erscheinens des Anderen, der Welt, des Gegenstandes sein.
Jean Baudrillard, 1994
Mit der Erfindung der Fotografie tritt eine neue Zeitlichkeit in das Bild und seine Betrachtung.
Was wir auf einem Foto sehen, war wirklich da und ist vergangen. Das unterscheidet fotografische von synthetischen Bildern, wie die der Malerei.
Die Eigenart des fotografischen Lichtbildes, ein physischer Abdruck des Dargestellten in einem realen Moment zu sein, erkannte bereits William Henry Fox Talbot, einer der Erfinder der Fotografie. „Es ist so gewesen“, konstatiert Roland Barthes ein Foto betrachtend und erschauert, wie Siegfried Kracauer ein halbes Jahrhundert zuvor, über dessen gespenstische Anmutung. Als sichtbare referentielle Evidenz eines Augenblicks pocht die Fotografie auf Wahrheit und Aktualität. Gleichzeitig stößt sie uns auf die Vergänglichkeit des Abgebildeten, zeugen ihre Bilder von Spuren, die in die Vergangenheit führen.
In den Fotografien Manfred Hamms findet sich der Zustand des Verschwindens im Bildmotiv selbst. Die Orte, die der 1944 in Zwickau geborene Fotograf seit mehreren Jahrzehnten europaweit aufsucht, sind oftmals verlassene, vergessene Orte, deren schwindende Bedeutung er mit seinen Aufnahmen und Publikationen festhält und archiviert. Kulturbauten, Bahnhöfe oder alte Industrieanlagen, die Hamm als „antike Stätten von morgen“ bezeichnet, sind nüchtern, häufig zentralperspektivisch, in diffusem Licht und immer ohne Menschen abgebildet. Damit befindet sich Hamm in der Tradition der Mission Héliographique, durch welche in Frankreich 1852 erstmals in großem Umfang historische Architektur und Denkmäler fotografisch dokumentiert wurden. In Hamms Aufnahmen erscheinen die Gebäude als Manifestation des Vergänglichen. Insbesondere in den Schwarzweiß-Fotografien sind die Objekte in den nächtlichen Mantel des Gestern gehüllt.
Schwarzweiß ist auch die Bilderwelt von Damien Daufresne. Auf den Kameralinsen liegende Staubpartikel tauchen mit anderen zufälligen ‚Störungen’ aus dem technisch-chemischen Herstellungsprozess als visuelle ‚Patina‘ in den körnigen, dunklen Fotografien auf. Flüchtige Momente sind darin festgehalten, wie ein Vogelflug, ein Lichtschein über einem wolkenverhangenen Meer, ein Tuch im Wind, und auch in den stillen, musikuntermalten Filmbildern: immer wieder dieses eine Mädchen – wie es über die Wiese läuft, Grashüpfer fängt, ins Wasser taucht. Wir kennen die Bilder – von unseren Müttern, Töchtern, von uns selbst. Wir erkennen sie, weil der 1979 in Paris geborene Künstler es schafft, sie uns als Erinnerungsbilder vorzuführen, was uns wehmütig werden lässt. Wir kennen und erkennen aber noch etwas anderes – etwas, das tröstet. Die Filmcollage von Un arbre. Un animal. Quelqu’un. besteht aus leicht verschobenen Wiederholungen und Rhythmisierungen, etwa wehendes Haar, dessen Aufnahmen bis zum Stillstand verlangsamt und überblendet werden – und dann an Daufresnes Kohle-Kreide-Zeichnungen erinnern, die – Palimpsesten ähnlich – vielfach überlagerte Schichtungen und Schabungen aufweisen. Der Film lässt archetypische Bilder aufscheinen, die auf eine ewige Wiederkehr deuten. Die Vergänglichkeit in ihrer Absolutheit scheint in diesem Moment aufgehoben. (Dr. Cora Waschke)
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